Konvergenztrends – Heute: IBM
Den Markt für BPM-Software kann man derzeit noch – ganz grob – in zwei Segmente aufteilen: BPMA-Werkzeuge kümmern sich um die fachliche Modellierung und Analyse von Geschäftsprozessen, während BPMS die Automatisierung adressieren. Schon seit Jahren werden ganzheitliche Lösungen gefordert, um den berühmt-berüchtigten BPM-Kreislauf besser unterstützen zu können. Vor ein paar Tagen habe ich gesehen, wie ein bekannter BPMS-Anbieter das Thema BPMA aufgreift.
Die Rede ist von IBM. Die IBM hat ja bekanntermaßen den Websphere Process Server, bzw. den Websphere Integration Developer (WID), eine auf BPEL basierende Prozessmaschine, die vorrangig im Umfeld der Integration bzw. dem Aufbau servicorientierter Architekturen eingesetzt wird (SOA). Die Stärken und Schwächen der Websphere Plattform für die Prozessautomatisierung sind ein eigenes Thema, das für einen spontanen Blog Post definitiv zu umangreich ist. Aber darum geht es jetzt auch gar nicht.
Sondern es geht um den IBM Websphere Business Modeler. Hierbei handelt es sich um ein BPMA-Werkzeug, das also für die Modellierung, Dokumentation und Analyse von Geschäftsprozessen genutzt werden kann. Die Kenner “klassischer” BPMA-Werkzeuge wie ARIS & Co. rümpfen hier häufig spontan die Nase: “Was kann so eine Tekkie-Firma wie IBM schon leisten, um Organisatoren zufrieden zu stellen?”. Und ich muss gestehen, dass auch ich in dieser Hinsicht zunächst eher skeptisch war.
Ich will jetzt auch gar nicht ein Loblied auf dieses Tool anstimmen. Aber es hat mich tatsächlich etwas überrascht, weil es doch deutlich mehr Funktionen für BPMA besaß, als ich bei einem Modeler, der von einem BPMS-Hersteller gebaut wird, erwartet hätte. Ich habe es mir im Rahmen eines Workshops angesehen, der bei einem Kunden stattfand, der sich gerade im Evaluierungsprozess befindet. Für diesen Workshop hatten wir einen Kriterienkatalog erstellt, der viele Funktionen abfragte, die man von “klassischen” BPMA-Werkzeugen kennt (z.B. strukturiertes Repostory für die Modellierung, Darstellung und Verknüpfung von Aufbau- und Ablauforga, Hinterlegung und Auswertung fachlicher Kennzahlen etc.). Und ich war selbst erstaunt, wieviel davon im Business Modeler vorhanden war.
Jetzt gibt es viele Punkte, die man kritisch hinterfragen kann bzw. wo man mal viel tiefer einsteigen muss, zum Beispiel:
- Wie gutes funktioniert es tatsächlich? So ein Workshop ist ja auch recht kompakt, und über manche Punkte sind wir auch rein verbal gegangen. Um sich ein verlässliches Bild zu verschaffen, muss man aber das Produkt selbst testen. und ich meine jetzt wirklich persönlich selbst. Also nicht von jemandem zeigen lassen. Aber das geht nicht an einem Tag, und nicht in einer Gesprächsrunde. Insofern werden wir uns das gute Stück vermutlich demnächst mal bei uns im Headquarter zu Gemüte führen 😉
- Bedienbarkeit für die relevanten Rollen? Der Modeler basiert auf Eclipse, was ich als alter Java-Fan natürlich kenne und schätze. Aber man merkt eben doch den technischen Background im Aufbau der Oberfläche etc., und es ist fraglich, wie hier die Akzeptanz auf Business-Seite aussieht ( => Differenzierte Customizing-Möglichkeiten? Hier bietet der Business Modeler nicht soviel, hatte ich den Eindruck)
- Der Modeler ist Teil eines Technologie Stacks, mit dem (wieder mal) das lang ersehnte Roundtripping versprochen wird. Hier bin ich ja extrem skeptisch. Nicht wegen der Vision an sich (sie wird Realität werden), aber weil einfach noch soviel zu tun ist. Es ist sicher eine wichtiges Element, dass der Modeler die Prozesse (vermutlich sauber und vollständig) nach BPEL exportiert, sodass sie im WID übernommen werden können. Und ich habe auch so ein paar Klassiker abgefragt, auf die ich durchaus zufrieden stellende Antworten erhalten hatte (z.B. zum Thema nachträgliche Anpassungen / Synchronisation, Reverse Engineering etc.). Aber die Technologie ist eben nur ein Drittel der Miete. Die anderen beiden Drittel sind die Modellierungsmethodik (und hier ist die Notation wie BPMN nur ein Baustein!) und die Befähigung und Motivation der erfolgskritischen Rollen. Und hier haben wir noch einen weiten Weg vor uns, durchaus auch im Tooling (Modellierungs-Pattern?). Und das wird leider definitiv viel zu häufig viel zu sehr unterschätzt. Grafische Diagramme nach BPEL bringen, ist noch das geringste Problem dabei.
Ja also wie gesagt, es gibt hier noch diverse Themen, über die man bzgl. des Modelers von IBM Gutes wie Schlechtes sagen kann (BPMN habe ich jetzt mal komplett ausgeklammert). Aber das würde den Rahmen dieses Posts total sprengen. Mir ging es jetzt erstmal nur darum festzustellen, dass so manch ein klassischer BPMA-Anbieter vielleicht doch nicht mehr ganz so selbstgefällig auf dem hohen Ross sitzen sollte – Der Markt bewegt sich 😉
Und allgemein es ist spannend zu beobachten, wie der Konvergenztrend hin zum ganzheitlichen BPM auf der Tool-Ebene momentan stattfindet. Da ist IBM ja auch nur ein Player unter vielen, und der zugrundeliegende Ansatz (BPEL etc.) ebenfalls.
Gartner führt IBM im magischen Quadranten für BPA-Werkzeuge ganz rechts oben zusammen mit IDS Scheer als Topanbieter auf. Wobei dies aber zum großen Teil einem anderen Werkzeug zu verdanken ist: System Architect (früher Popkin, dann Telelogic jetzt IBM “Rational System Architect”). Man darf gespannt sein, wie es mit beiden Werkzeugen weitergeht, und ob es bei IBM im eigenen Hause eine Konvergenz der Modellierungstools geben wird.
Sehr geehrter Herr Freund,
auch kleinere Hersteller, die nicht so bekannt sind wie IBM haben zu BPMS, interessantes zu sagen. JOOPS ist mit seiner BPM-Suite OfficeTalk einer dieser Vetreter.
Josef Springer
(JOOPS Informationstechnik GmbH)
[…] vor kurzem hatte ich mir den Business Modeler der IBM angesehen, der in genau dasselbe Thema fällt. Ob der Coup von SAG und IDS auch operativ gelingen und zum […]